Yamaha Niken Test

Computerlogbuch der Enterprise, Sternzeit 6334,1, Testpilot Sierra-Echo-Idaho-Tango-Zulu-I meldet sich zum Dienst.

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Yamaha Niken Test

Die Yamahianer wollen Frieden auf den Bundesstraßen dieser Welt schließen und schicken dafür ein 900 ccm 3-Zylinder Motorrad mit drei Rädern in die Verhandlungen. Drei Räder, drei Zylinder, logisch (das war eine kostenlose Eselsbrücke!). Wird die Mission „Sicheres Umlegen in bis dato nicht gekannte Dimensionen“ erfolgreich sein?

Ehrfurcht und Neugier überkommen jeden, der zum ersten Mal vor dem rund 260 kg schweren Gefährt steht, so auch mich. Ich meine: Wer hätte denn nicht vor einem Transformer der Sonderklasse Respekt? „Wird das richtig böse anschieben?“ „Kann man damit bis auf die Socken umlegen?“ „Werde ich vorm Eissalon punkten?“

Dass das gut geht, strahlt schon die Optik jedenfalls aus und als uns eine klassische Robotorstimme mit den Worten „Willst Du mich niken?“ zu einem gemeinsamen Ritt auffordert, ist der Bann gebrochen. Der (original wirklich sehr kernige) Dreizylinder läuft warm, die Handschuhe werden festgezurrt und das Visier klappt zu.

Viel zu erklären gibt’s nämlich in Bezug aufs Losfahren erfreulicher Weise nicht: Die Erschaffer des Fahrzeugs haben auf aufwändige Elektronikspielereien verzichtet und das Hauptaugenmerk aufs Fahren gelegt. Zu diesem Thema passend gibt’s allerdings drei Fahrmodi, welche die Niken sanft – normal – und sehr direkt ansprechen lassen. Im Regen wählt man die sanfte Einstellung, in der Stadt die normale und auf flotten Streckenabschnitten empfiehlt sich die direkte Variante. Dass man die Traktionskontrolle gänzlich abschalten kann hat auch den Vorteil, dass die Niken, theoretisch, aufs Hinterrad geht – und das ist sicher gar nicht langweilig! Fürs ABS gibt’s die Einstellungen „Greift sofort“ „Greift später“ und „Greift gar nicht“. Letzteres empfiehlt sich ebenfalls auf flotten Passagen, da die Hinterradbremse mehr oder weniger ständig im ABS-Modus unterwegs und damit ein Rutschen in die Kurven so gut wie unmöglich ist.

yamaha niken
Willst Du mich niken?

Natürlich möchte JEDER gerne wissen, ob man damit im Stau fürchterlich abledert. Nein, das tut man nicht. Natürlich sieht das Gefährt sehr breit von vorne aus aber wisst ihr was? Die Breitenbegrenzung zieht der Lenker – und nicht der Räder. Dass sich 260 fahrfertige Kilo natürlich nicht wie eine 125er rangieren lassen steht außer Frage aber die Niken lässt sich wie jedes andere Motorrad dieser Gewichtsklasse im Stadtverkehr bewegen.

Blablabla – was kümmert uns der Stadtverkehr mit einem schweren Motorrad oder? Auf zur DOPPLERHÜTTE und der dorthin führenden klassischen innoffiziellen Teststrecke Wiens, die alles bietet, was das Motorradfahrerherz begehrt: ein paar sauber aufeinanderfolgende Serpentinen, lang gezogene Kurven, wilde Wechselpassagen, teilweise welliges Terrain, eine durchgängige hässliche 70er Zone und einen fetten Parkplatz. Diesem sollte man als langgedienter Motorradfahrer besonderen Respekt zollen und sich beim Einparken entsprechend verhalten: Nach ultra vielen Vollgaspassagen und „Des geht, des gehhhhhht si scho locker aus, des MUSS halten!“ Momenten, gilt es sanft auszurollen, die Atmung zu verlangsamen, den Helm OHNE zitternde Hände abzunehmen. Sinn und Zweck: anderen Motorradparkern (welch hässliches Wort!) erhaben zuzunicken (leider raucht unser Testpilot nicht, denn eine Tschick danach wäre natürlich die Coolness in Perfektion).

Es kam, wie es kommen musste: Gespräche mit Wildfremden, gestartet von Wildfremden und trotz aller ehrlich vorgebrachter Fragen betreffend der technischen Besonderheiten des Kultbikes aus Japan wissen wir schon nach wenigen Sekunden: Wir werden uns männlich vergleichen *arr arrrrr*. Fesche Motorräder haben sie mitgebracht: KTM Duke 790, BMW S 1000 R, KTM 690 Supermoto. Wir starten vom Parkplatz der Dopplerhütte los in Richtung Waldschenke. Die Niken fährt vor, mal sehen wann das erste Überholmanöver kommt. „I wort aufs Überholmanöver auf da Hütten aber es kummt net (kummt net, kummt net).“ Vor zwei Stunden haben wir das 3-Rad-Getüm ausgefasst und fahren damit bereits jetzt so, als hätten wir es seit Jahren. Die drei Zylinder sorgen für die ideale Balance von Drehmoment und Drehzahl, verzeihen auch mal einen Schaltfehler und schieben das Gefährt vehement an. Vehement – aber nicht brachial. Auf ebenen kurvigen Passagen und vor allem beim Bergabbremsen sieht man die Weggefährten nur noch als kleine verzweifelte Lichter im Rückspiegel – bis man sie gar nicht mehr sieht. Wie auch bei einem normalen Zweirad gilt: Man drückt den Lenker in jene Richtung, in die man fahren möchte. Bei der Niken soll und kann man allerdings richtig vehement drücken. Nicht weil es dringend vonnöten ist aber etwas mehr Druck wirft die Fuhre dann wirklich so in die Kurven, wie ein normales Motorrad.

Erster Zwischenstopp, erste Bilanz: Die Mitstreiter zeigen sich ob der Fahrleistungen des Gefährts ziemlich überrascht (hehehe). Ein junger Mann mit Nick „Chesterfield KTM“ meint nun, dass es an der Zeit für ein Video wäre, an dieser Stelle herzlichen Dank fürs Filmen.

Guter Dinge fahren wir weiter, die Niken das Zepter fest in der Hand – und dann: eine laaaange Bergaufgerade…

Die 790er Duke sticht vor (Schock!), der Gasgriff der Yamaha wird bis zum Anschlag und noch weiter gewürgt aber es nützt nichts: wir kommen an die Duke nicht mehr heran, unser kleines Ego strauchelt, zerbröselt, zerfällt zu Staub… Dürfen wir BITTE um 160-180 PS statt der kräftigen aber eben nicht brachialen PS bitten? Denn dann gäbs überhaupt nicht mehr zu überlegen: € 16.000,- für die aktuelle Version sind, in Anbetracht der Fahrleistungen, die mit einem normalen Motorrad einfach nicht auf diesem Sicherheitslevel sein können (zwei Räder vorne halten halt besser als eines), äußerst fair. Vielleicht möchte Yamaha zukünftig einem so modernen Dreirad auch ein schönes TFT-Display spendieren, aber das aktuelle ist – auch bei direkter Sonneneinstrahlung – bestens ablesbar, jedoch nicht mehr unbedingt am Zahn der Zeit.

Das Ende der Erzählung bleibt positiv, weil die restliche Strecke wieder bergab führte und damit das genickte Ego wieder aufgerichtet werden konnte. Am Stammtisch muss man sich vielleicht Sätze wie „Brauchst scho a Dreirad hm? Ha-ha-ha“ gefallen lassen, um nach einer gemeinsamen Ausfahrt (lange Bergaufpassagen meiden!) mit „Du brauchst es glaub ich auch. Ha-ha-ha“ zu antworten.

Die Yamahianer haben großartige Ingenieure, die mit ihrer unendlichen Weisheit mit der Niken wahrhaft Großes für unsere Galaxie geschaffen haben.

 

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