Wie man es sich als Biker mit den Nachbarn verscherzt – Ein Anti-Ratgeber !

Wie man es sich als Biker mit den Nachbarn verscherzt – Ein Anti-Ratgeber !

Wie man es sich als Biker mit den Nachbarn verscherzt – Ein Anti-Ratgeber
© Anze

Angehörige der Spezies Motorradfahrer sind in aller Regel Rudeltiere, häufig zu beobachten bei gemeinsamen Ausfahrten. Allerdings suchen sie auch abseits des Sattels die Nähe zu anderen – die jedoch nicht unbedingt ebenfalls Biker sein müssen. Häufig handelt es sich dabei um eine Zweckgemeinschaft, entstanden aus den Realitäten und Zwängen moderner Siedlungsstrukturen.

Daher gibt es nur wenige Motorradfahrer, die inmitten von ausschließlich Gleichgesinnten leben oder sich durch Wahl des Wohnortes gänzlich von Nachbarn entkoppeln können. In einer solchen Gemeinschaft wird das Bike und damit verbundene Prozesse immer wieder zum Stein des Anstoßes. Was dies im Einzelfall ist, unterliegt den nachbarschaftlichen Zu- und Abneigungen und, natürlich, der Toleranzschwelle.

Das Versprechen: Wer sich an die folgenden Punkte hält, sorgt garantiert rasch dafür, dass er bei den Nachbarn auf keinen grünen Zweig kommt. Mehr noch, er leistet auch der gesamten Motorradszene einen freundlichen Bärendienst, indem er Klischees befeuert, wo vielleicht noch keine bestehen. Umgekehrt bedeutet das natürlich auch: Wer es auf gute Nachbarschaft abgesehen hat und vermeiden möchte, dass uns Motorradfahrern noch mehr Stigmata angehängt werden, der möge die folgenden Punkte bitte nach bestem Wissen und Gewissen vermeiden. Entsprechend sind diese Zeilen mit einem deutlichen Augenzwinkern zu verstehen.

1. Regel: Das Wohngebiet als Hochdrehzahlstrecke begreifen

Die allermeisten Bikes drehen deutlich höher als jedes Auto – solche mit Wankelmotor natürlich ausgenommen. Und bekanntlich ist Drehzahl direkt mit der Frequenzhöhe von Schallwellen verbunden – je höher (im für Menschen hörbaren Spektrum), desto mehr empfindet man den Klang als Kreischen. Angesichts dessen sollten die Lärmverbote in Tirol sowie die scharfen Vorstöße unserer deutschen Nachbarn Ansporn sein: Alle Menschen lieben es, wenn sie frühmorgens oder am Nachmittag den lieblichen Sound von 8000 Plus X Umdrehungen vernehmen können. Insbesondere deshalb, weil der sich in niedrigen Gängen auch erreichen lässt, ohne das Tempolimit zu missachten.

Als beliebter Weckruf fungiert es, das Motorrad bereits in der Garage zu starten und, nach einigen scharfen Gasstößen, vor selbiger viele Minuten lang warmlaufen zu lassen. Ist die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft so geweckt, wird der erste Gang eingelegt und beibehalten. Je nach Leistung, Zylinderzahl und Übersetzung ist es so möglich, hohe bis höchste Drehzahlen zu erreichen, ohne das Tempolimit zu überschreiten.

2. Regel: Das maximal Mögliche in Sachen Ansaug- und Auspuffsound erzielen

Wie man es sich als Biker mit den Nachbarn verscherzt – Ein Anti-Ratgeber
© Claudio’s Pics

Je nach Modell ist das, was der Hersteller im Serienzustand als Sound definiert, äußerst dürftig. Zumindest aber ist, je nach Land und Toleranz etwaiger Prüfingenieure, deutlich mehr möglich, ohne den legalen Bereich zu verlassen.

  • Offene Luftfilter ohne resonanzschluckenden Kasten drumherum lassen das Triebwerk nicht nur hörbarer einatmen, sondern unterstützen auch noch die Frischluftzufuhr in die Zylinder – gut für die Leistung.
  • Auf der Auslassseite sorgt der reduzierte Staudruck einer von überflüssigen Schallschutzmaßnahmen befreiten Auspuffanlage dafür, dass ein vergleichbarer Effekt entsteht – aus dem Grund klingen ja auch echte Sportmotorräder in jedem Last- und Drehzahlzustand gut.

Der angenehme Nebeneffekt: die Maßnahmen aus der ersten Regel werden dadurch noch effektiver, sodass auch entferntere Nachbarn diesem Klangerlebnis beiwohnen können. Und für wen die Comicfigur Werner ein Idol darstellt, ist diesem dadurch sogar besonders nah. Schließlich war es Werner, der sagte „Läuft schon gut, nur der Lärm ist mir eigentlich noch ein bisschen zu leise“.

3. Regel: Grundsätzlich wie ein 1%er aufführen

Ob die Zahl von Bikern, die Mitglied in einer Outlaw Motorcycle Gang sind, sich tatsächlich im Bereich von einem Prozent aller Motorradfahrer bewegt, dürfte von Land zu Land verschieden sein. Vor einigen Jahren waren es beispielsweise in Deutschland rund 10.000 Leute, bei einer Anzahl von zirka 15 Millionen Motorrad-Fahrerlaubnissen entspricht dies 0,07 Prozent echten Outlaw-Rockern.

Mancher mag befinden, dass dies recht wenig sei. Dann sei ja auch darauf hingewiesen, wie cool die Jungs von den Sons Of Anarchy auf dem Bildschirm waren – und wie gut eine Lederkutte mit Top- und Bottom Rocker, Center-, Club- und Rank Patch wirkt, wird wohl auch niemand bestreiten. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Handel zahlreiche Möglichkeiten bereitstellt, sich selbst den Look eines Full Member in einem fiktiven MC zu verpassen, ohne die aufreibenden Stufen von Hangaround und Prospect durchlaufen zu müssen – von den mit einer echten Mitgliedschaft in echten Outlaw Clubs einhergehenden Zwängen zu zahlreichen Tätigkeiten einmal abgesehen.

Das Ergebnis: Selbst der harmloseste Motorradfahrer kann sich heute mit dem glaubwürdigen Nimbus des bösen Outlaw Bikers umgeben und sich so benehmen, auch ohne Gesetze zu brechen. Ganz besonders Nachbarn mit Kindern und Senioren lieben es, wenn gegenüber jemand lebt, der nicht einfach nur Motorrad fährt, sondern auch den Eindruck erweckt, im Keller kistenweise nichtregistrierte Waffen dubioser Herkunft zu lagern. Verbessern lässt sich dieses Image nur noch, wenn auch die Biker-Bekannten für Ausfahren im selben Look auftreten und man sich auch abseits vom Sattel möglichst mürrisch und schweigsam den Nachbarn präsentiert. Sie künftig nicht mehr grüßen zu müssen, ist dann nur eine Frage der Zeit.

4. Regel: Zuhause nicht nur schrauben, sondern auch testen

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© Mikhaylovskiy

Zwar wurde das Thema noch in keiner Studie offiziell behandelt, jedoch gibt es zumindest gefühlt mehr Motorradfahrer, die selbst zum Werkzeug greifen, als dies bei den Autofahrern der Fall ist – wozu auch die geringere Komplexität selbst moderner Bikes in Verbindung mit der besseren Erreichbarkeit aller Teile beiträgt.

Seine Samstage allerdings bei Sonnenschein mit dem Werkzeugkasten vor der Garage zu verbringen, ist im Sinne dieses Ratgebers sicher nicht genug. Höchstens wenn dabei ein Radio auf voller Lautstärke Rocker-Romantik versprüht, ließe sich daran etwas ändern. Nein, wer wirklich seine Nachbarn abschrecken möchte, muss hier weiterdenken.

Denn was in Punkt 1 gilt, lässt sich bei konsequenter Durchführung auch weiterziehen. Beispielsweise ist es absolut probat, den Einbau eines neuen Krümmers oder wenigstens den Wechsel seiner Dichtung damit zu verbinden, den Motor ganz ohne Krümmer zu starten. Profis warten dafür sogar bis in die dämmerigen Abendstunden, um sich am Feuerspektakel aus den Auslassöffnungen der Zylinder zu erfreuen.

Ebenfalls beliebt bei Nachbarn ist es, das Einstellen von Vergasern, Steuergeräten und Zündzeitpunkten zuhause zu erledigen. Dabei sollten Selberschrauber sich möglichst viel Zeit lassen und immer wieder den Gasgriff betätigen. Die Trumpfkarte ist es allerdings, das Motorrad immer wieder aus- und neu anzuschalten. So kann sich kein Nachbar sicher sein, dass die unangenehme Ruhe von längerer Dauer sein wird.

Wer etwas Geld übrig hat, kann das sogar noch forcieren: Leistungsprüfstände für Bikes werden für etwa 3000 Euro auch an Privatpersonen verkauft. Eine bessere Gelegenheit zur Leistungsoptimierung und gleichzeitigen, minutenlangen Höchstdrehzahlen direkt vor der eigenen Haustür gibt es nicht.

5. Regel: Öffentliche Parkplätze konsequent nutzen

In praktisch allen Ländern der Erde besagen die Straßenverkehrsgesetze das gleiche: Im öffentlichen Verkehr hat jeder (motorisierte) Teilnehmer dieselben Rechte und Pflichten, es werden keine Unterschiede gemacht.

Eine Botschaft von so viel Gleichheit und Brüderlichkeit sollte für Biker unbedingt auch ein Weckruf zur Verschlechterung der nachbarschaftlichen Beziehungen sein. Zumindest dann, wenn es sich um ein Wohngebiet handelt, in dem es möglich ist, auf der Straße zu parken. Ganz besonders gilt das für jene Straßen, in denen die Parktaschen vorgegeben und somit deutlich limitiert sind. Hier besagt schließlich § 9 der StVO, dass in einer Parktasche möglichst mehrere einspurige Fahrzeuge parken sollen. Steht auch nur ein Motorrad darin, müssen Autos sich eine andere Tasche suchen.

Die oberste Regel beim Thema Parken: Unbedingt ignorieren, dass ein Motorrad selbst in einer sehr kleinen Einfahrt noch Platz findet. Als Anwohner zahlen schließlich auch Biker genügend Steuern, haben deshalb das gleiche Recht, auf der Straße zu parken, wie die vierrädrig fahrende Nachbarschaft.

Ein Bike gehört auf die Straße, auch im parkenden Zustand. Das gilt ganz besonders zum Feierabend hin, wenn die Nachbarn nachhause kommen. Es dürfte nur wenige geben, die sich nicht freuen, wenn die einzige „freie“ Parktasche mit einem Motorrad verziert wurde, das zudem so steht, dass keine Chance besteht, selbst ein Moped noch daneben abzustellen.

Profis mit Hang zur Überwachung lauern zudem immer darauf, dass draußen jemand seinen Straßenparkplatz verlässt. Dann heißt es schnell sein und das Motorrad aus dem eigenen Hof schnell in diese Lücke bugsieren. Hier muss man allerdings abwägen:

  • Einerseits ist es immer schön, den Nachbarn mit dem Sound des Motorrads eine Freude zu machen;
  • Andererseits hingegen ist die Überraschung deutlich größer, wenn das Bike heimlich auf den Parkplatz geschoben wird.

Was man wählt, sollte reiflich überlegt werden. Wie bei allen anderen Regeln dieses Textes wird das Ergebnis jedoch dasselbe sein: Die Nachbarn werden nicht nur einen selbst nicht leiden können, sondern ihre Abneigung auf alle Motorradfahrer übertragen. So kann jeder Einzelne etwas dazu beitragen, dass wir alle etwas davon haben.